Skurril: Was machen wir mit einem Spaten morgens um 10 Uhr im Wald?
Pärnu – du Perle
Bizarr: Ein Platz, der nirgendwo im Internet verzeichnet ist, aber alles hat. Ein lost place?
Magisch: Und mein persönlicher ‘magic moment’ in der Ostsee
Pärnu
Du Schöne. Du Perle. Welch entzückendes Örtchen! Gelegen am ‘Golf von Riga’, einer Meeresbucht in der östlichen Ostsee, der an Süd-Estland und Lettland grenzt. Die estnischen Inseln Saaremaa und Hiiumaa begrenzen den Eingang nach Norden und die Irbe-Straße öffnet sich im Westen zum Meer.
Unser erstes Ziel in Estland ist also Pärnu, das als ‘Sommer Hauptstadt Estlands’ beschrieben ist. Außerdem findet an diesem Wochenende ein ‘Street food Festival’ statt, das mit estnischen Spezialitäten auftischen soll. Denn: ‘Essen’ ist die einzige Enttäuschung auf unserer bislang 5 wöchigen Reise. Traditionelles baltisches Essen ist irgendwie unauffindbar. Die Wälder sind voller Pilze und Beeren, hier tummeln sich Rehe, Wildschweine, Hirsche… aber warum tummelt sich das nicht den Tellern? Das hauptsächliche Speisen-Angebot der Restaurants besteht aus Kebap, Burgern, Pizza. Wir suchen mittlerweile beinahe verzweifelt etwas landestypisches.
Also “Street food festival” in Pärnu war das Ziel. Ein freier Stellplatz für die Nacht ist schnell am Hafen gefunden, wir schultern unsere Taschen und los geht’s. Es ist sowieso Lunch Zeit. Auf dem kurzen Fußweg dorthin passieren wir zufällig eine estnische Volkstanz-Vorstellung! Alt und jung. Mann und Frau. Unterschiedliche Trachten, Farben, Hüte. Ist das hübsch anzusehen. Manche Tracht sieht eher religiös aus, andere sind einfach farbenfroh, bunt und freundlich (Frage am Rande: warum ist Kirche eigentlich immer schwarz?).
Das Street Food Festival brummt. Bei angenehmen 24 Grad und Sonnenschein schieben sich die Menschen durch die für das Event gesperrte Straße. Hier wird alles angeboten, was das Herz begehrt. Süß. Salzig. Geräuchert. Kooktails (ja, so schreibt man das hier). Vegan. Gegrillt. Aber. Aber. Aber so richtig baltisch? Tja, da suchen wir mal wieder umsonst. René findet einen ukrainischen Stand, an dem Omas Suppen mit einem Schnaps verkaufen. Finde ich gut, ist was anderes. Ich entscheide mich für einen ‘poke bowl’, Salat mit Lachs. Lecker, aber nichts neues.
Egal, wir sitzen den ganzen Nachmittag und gehen unserer Lieblingsbeschäftigung nach: people watching. Ich dachte ja, die Balten sehen eher russisch aus, also ein wenig grobschlächtig. (Entschuldigung, es gibt garantiert viele feingliedrige Russen). Jedenfalls sehen die Balten eher europäisch aus, viele blond und blauäugig. Die meisten schlank (nicht wie die aufgedunsenen Fast Food Amis) und attraktiv gekleidet (keine deutsche Funktionskleidung). Familien. Kinder. Hunde. Großeltern. Herrlich anzusehen und entspannt. Nach 2 Bier (0,5 Liter für 4 Euro) und viel Sonne müssen wir erstmal zurück und ein Mittagsschläfchen halten.
Party in Paernu
Abends geht’s nochmal in den Ort, nochmal people watching. Jetzt kommen die Party people, jung, attraktiv. Spaß-Gesellschaft. Gruppen. Neben uns sitzt eine Gruppe von jungen Briten, was machen die hier? Party in Pärnu! Toll! Die Preise steigen, 2 Bier und 2 Vermut = 23 Euro. Wir gehen ohne Party ins Bett aber freuen uns über einen schönen Tag in der Perle Pärnu.
Matsi – nicht gerade ein vergessener Ort
Da wir auf einem Beton Parkplatz am Hafen übernachtet haben – nicht schön, aber praktisch – geht’s am nächsten Morgen früh weiter: Ziel ist, am Meer zu frühstücken. Eine halbe Fahrstunde entfernt hatte ich Matsi eingezeichnet, das sowohl als schöner Strand, als auch als lost place beschrieben wird. Diese ‘lost places’ faszinieren mich irgendwie, ein Gefühl zwischen Grusel-Schauer und Faszination. Es ist Sonntag morgen 10.30 Uhr, als wir nach einer Fahrt durch wunderschönen Nadelwald in Matsi am Strand ankommen. Wie gesagt: es ist Sonntag morgen!
Von ‘lost place’ keine Spur! Entlang des Waldrands treffen wir auf geschätzt 30 Zelte, plus einige Wohnwagen und Wohnmobile. Um die 100 Menschen, noch mehr Kinder und Hunde, die sich ein schönes Camping Wochenende am Meer gegönnt haben und nun gerade aufstehen. Guten Morgen Matsi. Das ist uns eindeutig zu voll, das Frühstück muss warten. Wir drehen um, wohin jetzt? Kein Ahnung. Ein Blick auf die Karte, und wir biegen nach 10 Minuten einfach in die nächste Straße zum Strand ein. Wenn sich einfach ein ruhiger Ort zum frühstücken findet, sind wir zufrieden. Aber hallo! Jetzt aber.
Unverhofft kommt… manchmal
Auf der Karte ist nichts eingetragen. Im Internet auf Google Maps nichts verzeichnet. Wir erwarten Sand und Strand. Mitnichten. Wir finden einen Parkplatz, neben einem voll ausgestatteten Camper Stellplatz mit Sanitäranlagen, daneben einen Hafen für 30 Boote, und ein Hotel. Huch! Im ganzen sind vielleicht fünf Personen hier unterwegs, ein riesiges leeres Gelände. Durch Zufall haben wir nicht nur einen Platz zum frühstücken gefunden, wir bleiben gleich Übernacht.
Magic moment in der Ostsee
Und hier habe ich abends einen der schönsten Momente: um 20 Uhr ist es noch warm, und ich beschließe schwimmen zu gehen. Das Meer ist völlig ruhig und flach, ich laufe bestimmt 50 Meter ins Meer hinein und es geht mir nicht mal bis zum Knie. RockY ist dabei, der ja nicht schwimmt, er kann also mitlaufen. Irgendwann reicht mir die Lauferei, und ich setzte mich einfach ins Wasser. Das Meer ist spiegelglatt. Es ist völlig still. Und die Sonne geht ganz langsam unter. Das ist Meditation pur. Lediglich mein armer Hund, der weder meditieren will, noch die Schönheit des Augenblicks versteht, zwingt mich zum aufstehen, und zurück gehen. Welch herrlicher Moment in der Ostsee in Estland, mein persönlicher magic moment.
Anekdote aus dem Wohnmobil Leben:
Warum sind wir morgens um 10 Uhr mit einem Spaten im Wald unterwegs? Tja, nach einigen Tagen “frei” stehen, ohne Möglichkeit die Toilette zu entleeren, war diese voll. Was also machen? Wir graben ein Loch im Wald, entleeren die Toilette, und schütten das Loch wieder zu. Wohnmobil leben, halt.
Und mit diesem entspannten Gefühlen geht’s am nächsten morgen auf unserer Estland Tour weiter: auf die Inseln Saarema und Muhu. Und dort beginnt endlich der Urlaub. Und in dem Moment, als wir richtig entspannt sind, haben wir unsere erste Wohnmobil Panne! Ohh nein!!!! Darüber lest ihr beim nächsten mal.