Was genau ist Canyoning? Man sieht Fotos von Menschen die von Felsen springen, durch Flüsse waten und unter Wasserfällen planschen. Sieht nach super Spaß aus, und nach einem Kick und einer Herausforderung.

Ich entschloss mich, es zu probieren. Mich herauszufordern!

Man wächst ja bekanntlich, wenn man sich seinen Ängsten stellt, und ich habe Höhenangst. Ein Sprung vom Felsen ist genau das, was ich brauche. Dachte ich.

Hier in Andalusien, in der Provinz Granada, im Hinterland von Almunecar, liegt der Rio Verde. Der grüne Fluss. Gut zu erreichen, circa eine Stunde Fahrtzeit von Nerja, die letzten 20 Minuten über Schotterstraßen im Nationalpark hinunter in die Schlucht Los Chortales. Alleine die Fahrt ist ein Erlebnis, wunderschöne Landschaft zieht am Auto-Fenster vorbei, und Ornithologen und Wildtier Liebhaber kommen voll auf ihre Kosten. Wir sehen eine Möwe, die eine solch schwere Beute im Schnabel hat, das sie kaum fliegen kann. Wir tippen auf eine Kröte? Einen fetten Frosch? Wie auch immer: guten Appetit!

Natur pur

Zum Canyoning braucht es unberührte Natur, und das bieten die 22 Kilometer des Rio Verde im Überfluss. Der kristallklare Wasser des Flusses hat das Gestein über Jahrhunderte ausgewaschen und ausgehöhlt, so das der Flusslauf heute von Wasserbecken / Natur-Pools, steilen Gefällen, Felsvorsprüngen und eben Höhlen überquillt. Eingebettet in wild wachsende Natur, bieten die Granitfelsen einen wunderbaren Kontrast zur Flora und Fauna.

Meine persönliche Herausforderung beginnt an einem Sonntag morgen um 7 Uhr mit dem Klingeln des Weckers. Ich bin kein Frühaufsteher, kann mich jedoch durchaus begeistert aus den Federn schwingen, wenn etwas schönes ansteht. Um 8.30 Uhr treffen des Tourguides und der Gruppe in Nerja. Tourguide David ist Mitte 30 und hat jahrelange canyoning Erfahrung, was sich später als sehr hilfreich herausstellen wird. Die Gruppe besteht aus 6 Personen, mit Anfang 50 bin ich die Älteste. Ein junges Paar aus Puerto Rico, und eine junge Mutter mit ihrem 10jährigen Sohn sind mit von der Partie.

Ausziehen!

Kurz nach 10 Uhr am Rio Verde angekommen, sehen wir einige weitere Gruppen, die sich zum Canyoning bereit machen. Bereit machen heißt in dem Fall: ausziehen! Denn nur im Bikini oder Bade Shorts geht es los. Es wird nass. Klatschnass. Wichtig ist gutes und festes Schuhwerk, das beim Fluss durchqueren auf glitschigerem Felsen festen Halt gibt. Ich hatte aus früheren Schnorchel Urlauben feste Schwimmflossen-Schuhe von Tula, die sich wunderbar eigneten. Die anderen Teilnehmer trugen einfache Turnschuhe (bin nicht sicher, ob dauerhaft nasse Socken gut sind…). So aus- bzw. Angezogen gibt es den Neopren Anzug, Helm und Klettergurt. Das Equipment wird auf dem Rücken verzurrt, und muss erstmal zum Startpunkt getragen werden. Vor dem loslaufen fing ich bereits an zu schwitzen.

Loslaufen. Ja. Also. Grundvoraussetzung beim canyoning ist eine “gute körperliche Verfassung”, so steht es im Programm. Habe ich, dachte ich. Tja. Die Gruppe marschierte los, in rasantem Tempo. Schnell war ich das Schlusslicht, und hechelte mit hochrotem Kopf hinterher. Es mangelte mir nicht nur an Ausdauer, sondern auch an Erfahrungen auf steinigen schmalen Pfaden zu laufen. Meine ständige Besorgnis umzuknicken oder zu stolpern war für mein Tempo nicht hilfreich. Tourguide David erkannte sehr schnell mein Problem, und führte mich langsamer und routiniert zum Fluss. Puh.

Die Wurst in der Pelle aka. Neopren

Rein in den Neopren Anzug (Heidewitzka ist der eng! Zieh, zerr, quetsch, auch die letze Speck-Rolle muss verstaut werden), Geschirr angelegt, Helm aufgesetzt und hinein ins kühle grün Nass des Rio Verde. Herrlich! Angenehm! Nach dem schweißtreibenden Aufstieg ist es paradiesisch einfach nur im Wasser zu liegen.

Juchheissa!

Und dann ging das canyoning los. Circa 3 Kilometer den Rio Verde hinunter. Laufen. Schwimmen. Springen. Sich vom Felsen abseilen. Kurz neben dem Fluss her laufen. Durch eine Mini Öffnung – einen Spalt im Fels – hinein in eine Höhle, von dort angeseilt in einen Natur Pool. Habe ich erwähnt das ich unter Klaustrophobie leide, also durchaus Panik in kleinen Räumen bekommen kann? Ach was, es ging so schnell das ich keine Zeit für alberne Attacken hatte. Mittendrin, statt nur dabei.

Heimatland, zähl’ deine Sterne.

Ich bin in den circa 3 Stunden durch alle Gefühlslagen durchgegangen. Habe mich mehrfach meilenweit aus meiner Komfortzone heraus bewegt. Hatte mega Spaß. Angst. Unglauben. Einen Puls von wahrscheinlich durchgehend 300. Schwitzen konnte ich Dank des kühlen Wassers zum Glück nicht. Mehrfach habe ich mich gefragt, warum ich mir das antue. Mein eigentliches Anliegen “bekämpfe Höhenangst” hatte ich völlig vergessen, keine Zeit dafür. Ich bemühte mich eher dran zu bleiben, nicht zu stolpern und trotzdem die Tour zu genießen (das kam ein bisschen kurz). Tourguide David war immer an meiner Seite, wofür ich ihm sehr dankbar war. Dank seiner jahrelangen Erfahrungen wusste er mich (und die anderen Teilnehmer) genau einzuschätzen.

I made it!
Sprung vom Felsen

Ich bin super stolz, das ich es gemacht habe. Ich bin von Felsen gesprungen, habe mich in Wasserfällen abgeseilt und bin in und durch Felsspalten gekrabbelt. Es war anstrengender als gedacht, und ich hatte Tagelang Muskelkater. Für den 10jährigen Bub war es der Spaß seines Lebens, und auch die Mutter und das jungen Paar waren talentierter als ich. Jedoch kann ich mir lebenslang auf die Schulter schlagen, und sagen “canyoning – I made. it”.

 

 

Local Experiences Malaga

Wenn ihr ein Abenteuer erleben wollt geht zum canyoning im Rio Verde. David ist ein toller Tourguide, er spricht neben Spanish sehr gutes englisch, französisch und portugiesisch – seine Firma heisst Local Experiences Malaga- ich kann sie empfehlen. Wurde ich es wieder machen? Keinesfalls! Aber als “once in a lifetime” – als einmaliges Erlebnis – war es sensationell.

Übrigens: Wer nicht zum canyoning geht, kann im Nationalpark wandern gehen. Super schön! Und wesentlich entspannter!

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Sabine von Reth
Rene von Reth
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