Kaunas. Die kurische Nehrung. Klaipeda. Palanga.

Alles Orte, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Wir verlassen Polen, und passieren die Grenze nach Litauen. Lediglich das Schild sowie eine große Baustelle um die ehemaligen, und heute unbesetzten, Zollhäuschen weisen auf den Landes-Wechsel hin. Wir rollen entspannt ohne Kontrollen von einem Schengen-Land ins nächste. Sofort fällt uns auf: Litauen hat eine andere Zeitzone, es ist 1 Stunde später, und höhere Benzinpreise, um die 1,90 Euro pro Liter Diesel. Später stellen wir fest: auch die Wein-Preise sind höher als in Polen. Mist! Hätten wir mal ordentlich Vorrat eingekauft.

 

Erster Stopp: Kaunas.

Hier ein paar Fakten:
Design Stadt mit UNESCO Titel.
Kulturhauptstadt 22.

Architekturliebhaber schwärmen von den modernistischen Bauten und vom Mix aus Art Déco, Bauhaus und Industriedesign. Zweitgrößte Stadt Litauens.

Wir parken auf dem zentralen City-Campingplatz für 20 Euro die Nacht, mit Strom und sogar mir Pool. Bei den Temperaturen um die 18 Grad benutzen wir Sonnen-verwöhnten halb-Spanier den Pool nicht, aber baltische Familien mit Kindern haben Spaß im Wasser. Sechs Bus stops zur Altstadt, sollen es sein. Nur: sonntags fahren die Busse nur einmal pro Stunde, und wir haben den letzten knapp verpasst. Der nette Campingplatz Rezeptionist (super englisch!) ruft uns per App ein Bold, das litauische Uber. Für 4,80 Euro geht’s ruck-zuck mit Hund in die Altstadt.

Rote Bete Suppe

Erstmal ein Lunch Snack. Ich probiere die litauische Spezialität kalte ‘Rote Bete Suppe’, daher die rosa Farbe. Köstlich! Kann ich empfehlen. Gestärkt mache ich mich auf, die architektonisch UNESCO geadelte Stadt zu entdecken. Eine schöne restaurierte Altstadt mit Kopfsteinpflaster, gefolgt von einer modernen Einkaufsstraße – ähnlich der Zeil in Frankfurt. Ich will einen Bogen schlagen, um wieder zum Ausgangspunkt zu gelangen, verlaufe mich aber ein wenig. Es beginnt zu regnen, ich stelle mich unter, komme danach noch mehr vom Weg ab, und entdecke die Relikte des Ostblocks: die typischen Plattenbauten. DAS finde ich nun spannend: Ost trifft West. Alt trifft Neu. Modernisiert trifft Verfallen. Nach drei Stunden bin ich regennass aber glücklich zurück bei René und Rocky, die auf solche Touren keine Lust haben. René nennt solche Touren planlos, ich nenne es flexibel

Zum Dinner besuchen wir das traditionelle litauische Restaurant https://berneliuuzeiga.lt/ Mit Hund Rocky dürfen wir zwar nur im Hof sitzen, dieser ist jedoch so charmant rustikal mit Holz Dekor, Kissen und Herzchen dekoriert, das wir auch freiwillig hier gesessen hätten. René hat erneut ein Schnitzel, ich entscheide mich für mit Hackfleisch gefüllte Kartoffelknödel. Diese sind super lecker, aber so mächtig, das ich mich danach selbst wie ein Kartoffelknödel fühle, und leicht vor mich hin rülpse. Zurück geht’s wieder mit einem Bold Taxi.

Kaunas ist nett, aber wir wollen weiter. Am nächsten morgen geht’s los, Ziel ist die Kurische Nehrung an der Ostseeküste mit den beeindruckenden Sand Formationen. Eine schnurgerade gut ausgebaute Autobahn bringt uns in 2,5 Stunden von Kaunas nach Klaipeda (180 Kilometer), und damit zur Kurischen Nehrung.

Kurische Nehrung.

Nie gehört? Also:

Die Kurische Nehrung ist eine 98 km lange Halbinsel an der Nordküste des Samlands. Seit 1945 gehören die nördlichen 52 km zu Litauen und die südlichen 46 km zu Russland, zu Kaliningrad.

Wir entscheiden uns für ein Hafenstädtchen, etwas südlich von Klaipeda. In Dreverna bleiben wir 2 Nächte und zahlen 20 Euro pro Nacht. WC und Dusche kosten sind 3 Euro pro Person und Nacht, das ist etwas übertrieben viel! Wir buchen das ‘Sanitär-Paket’ nur eine Nacht, einmal duschen reicht, Klo haben wir dabei, man wird beim Camping entspannter. Das Wetter ist endlich sonnig, wir genießen das Nichtstun und die Wärme. Nachmittags nehme ich die Fähre auf die andere Seite der Nehrung, nach Juodkrante. Fahrzeit 15 Minuten, 16 Euro hin- und zurück.

Juodkrante ist auch so ein Geschichts-trächtiger Ort voller Denkmäler, Skulpturen, Fisch-Räuchereien und Holzhäuser wie in Schweden. Und weil es in dem Ort ansonsten nicht viel zu sehen gibt, besuche ich den Friedhof. Sieh da, das ist interessant. Die alten teilweise sehr verwitterten und verwilderten Gräber – gestorben so um 1900 – tragen deutsche Inschriften. Auch hier also: deutsche Geschichte und Einflüsse.

 

Königliches Klaipeda

Klaipeda hieß früher Memel.

Entzückendes Hafenstädtchen an der Kurischen Nehrung mit langer Geschichte – erstmals erwähnt 1009 – und viel Zerstörung. Die Stadt brannte mehrfach ab, die Burg verfiel… sogar die Kirche liegt in Trümmern und wurde in der Sowjetzeit nicht wieder aufgebaut. Diese ehemaligen Bauten – und jetzigen Steinhaufen – sind heute Touristen Attraktionen und werden bei Stadtrundfahrten besichtigt. Klaipeda online

Wir sehen viele Porsche und teure Autos. Ein fettes Kreuzfahrtschiff liegt im Hafen, die bunt gekleideten Amis wälzen sich mal mit, mal ohne Regenschirm bewaffnetem Tour Guides durch die Straßen.

Klaipeda ist gradlinig aufgebaut, entsprechend findet man sich einfach zurecht. Hübsch anzusehende, Blumen und Baum gesäumte Straßen, ansehnlich restaurierte Häuser-Reihen und viel Kopfsteinpflaster. Hübsch. Hübsch. Hübsch.

Mein Stadtrundgang fällt kürzer aus als geplant, weil unser spanischer Wasser-Hund Rocky nur Strand-Spaziergänge kennt. Mit ihm durch eine Stadt zu schlendern ist eine Tortur: für uns beide. Mehr als einmal bleibt er einfach sitzen. Stur wie ein Esel. Bewegt sich keinen Meter. Dieses 19 Kilo Paket an der Leine zu schleifen, funktioniert nicht (wenn das jemand sieht ruft er den Tierschutz). Also setze ich mich neben ihn, bis sich der Herr beruhigt hat und gewillt ist weiterzulaufen. Wir geben sicherlich ein tolles Bild ab. Nach einer Stunde gebe ich auf, und wir gehen in ein Straßencafé und warten auf René, der eine Runde Golf spielt. Zumindest habe ich nun Zeit, die Geschichte des Landes zu recherchieren.

Geschichte Litauen

Ein Spielball zwischen Russland, Polen, Deutschland. Manchmal eigenständig. Dann vereinnahmt von der Kirche (!). Und von der Landkarte verschwunden. Liest man die Geschichte Litauens auf Wikipedia qualmt einem das Hirn. Viel Kuddelmuddel in 1200 Jahren.

Betrachten wir ausschließlich das letzte Jahrhundert:
Bis 1917 Russland und Teil des Russischen Kaiserreichs
1918 Unabhängig
Am 15. Juni 1940 wieder Russland, die Rote Armee rücke ein und gründete die Litauische SSR
1941 bis 1945 Deutsch! Litauen war von der Wehrmacht besetzt und gehörte zum Reichskommissariat Ostland.
1945 – 1990 UdSSR – die Litauische SSR war nun Teil der Sowjetunion (UdSSR).

1990 Unabhängig! Im Zuge der Perestroika wurde nach freien Wahlen am 11. März 1990 die Unabhängigkeitserklärung verabschiedet, die in Litauen als Wiederherstellung der 1918 gewonnenen und durch den Hitler-Stalin-Pakt verlorenen Unabhängigkeit gesehen wurde (was? Diesen aus dem Internet kopierten Satz lese ich 5x bis ich ihn halbwegs verstehe).

2004: Litauen wurde 2004 Mitglied der EU und der NATO.

Ich frage mich was all dieses hin- und herumschubse mit dem Volk macht. Fühlt man sich irgendjemandem verbunden? Oder niemandem?

Wirtschaft: von sowjetischer Planwirtschaft zu Marktwirtschaft, Boom nach EU Beitritt 2004, Krise nach Lehman Crash 2008. 2015 wurde dann der EURO eingeführt, seitdem hat sich alles verteuert.
Tatsächlich: Günstig ist Litauen nicht. Avocado Toast 12 Euro, Limo 3,50 Euro.

Ei jei jei Palanga

Als René vom Golfen kommt – 9 Löcher für 50 Euro, kein Schnäppchen, aber ein toller Platz – qualmt mir das Hirn. Es ist nachmittags und wir steuern Palanga an, den nächsten Küstenort in dem wir übernachten wollen. Das ist der Plan. Tja. Schon bei der Anfahrt durch den Ort werden unsere Gesichter länger und länger. Erneut bumsvoll, erinnert auch das setup an das polnische Kolberg, aus dem wir flüchteten. Ordentlich und sauber zwar, neue Ferienhaus Siedlungen überall, aber eher den Charme eines Center Parks. Der ausgesuchte Stellplatz ist voll, voller, am vollsten. Die Wohnmobile und Wohnwagen stehen aneinander gequetscht schlimmer als Besucher eines chinesischen Schwimmbecken. Schneller als der Schall drehen wir um und verlassen den Ort.

Nächster Versuch 7 Kilometer weiter in Sventosios ein Stellplatz von privaten Betreibern. 44 Euro (!) soll die Nacht kosten, die einzelnen Parzellen sind unwesentlich größer als zuvor. Erneutes Entsetzen. Erneutes umdrehen. Ein Blick auf die Karte offenbart es: wir sind nur 10 km vor der lettischen Grenze und entscheiden, let’s go Lettland. Auf dem Weg raus aus Sventosios geraten wir in eine Polizeikontrolle und müssen einen Alkoholtest machen, also pusten. Kein Problem, wir trinken nie beim fahren, also dürfen wir direkt weiterfahren. Es wird Gründe geben, warum die Alkoholkontrollen stattfinden. Wobei wir noch keine wirklich betrunkenen Litauer gesehen haben.

Nach 15 Minuten passieren wir die Grenze nach Lettland. Bye bye Litauen. Auf unserer Rückfahrt besuchen wir dich wieder, dann fahren wir durch das Landesinnere.

Wir haben die Litauer als freundliches und offenes Volk erlebt. Auch die Camper-Nachbarn haben uns immer nett gegrüßt und zugewinkt. Einer sagte sogar ‘Buenas Tardes’ aufgrund unseres spanischen Kennzeichens. Litauer sind Freundlicher als die polnischen Nachbarn, die eher zugeknöpft und spröde rüber kamen. Sie sprechen exzellentes English, sind sehr Kunden-orientiert. Auch untereinander gehen sie liebevoll miteinander um, das sehen wir auf den Campingplätzen, die in der Hochsaison von viele Familien besucht sind.

Was wir in Lettland erleben lest ihr im nächsten Blog in ein paar Tagen. Wir sind selbst gespannt!

Internet

Ich wollte die ganze Zeit schon die Geschichte vom Internet erzählen. Wir reisen seit jeher mit einem WIFI Router zusätzlich zu unseren Telefonen. Dieser WIFI Router braucht eine SIM Karte. René hatte eine SIM Karte bereits in Spanien besorgt. „Klaro! Funktioniert europaweit“. Funktionierte genau bis Süddeutschland, danach war Schluss. Warum? Keine Ahnung. Hilfe Hilfe Hilfe. Wir mussten in Deutschland eine neue SIM Karte kaufen. Schlimmer geht nimmer. Es dauerte geschlagene 2 Stunden in einem Mobilfunk Shop. Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen (Adresse! Ausweis! Fehlten nur noch Fingerabdrücke) erhielten wir eine Karte 30 GB für 50 Euro. „Klaro. Kann europaweit aufgeladen werden“. Wollten die Karte in Polen aufladen – nix da. Diese Karte kann nicht aufgeladen werden. Augen rollen.

Wir hatten gehört das das Baltikum ein Internet Paradies ist, also warteten wir bis zur Überquerung der Grenze nach Litauen. In Litauen verkaufen sie SIM Karten an jeder Tankstelle, 11 GB für 3 Euro. Keine Registrierung. Kein Ausweis. Nix. Einfach los Surfen. Wifi gibt’s in allen Restaurants, jedoch mit Passwort. Also die viel besprochene Internet Freiheit haben wir auch hier noch nicht gefunden.

In Deutschland wurde uns erzählt, das der Datenschutz eine EU Regel ist. Das stimmt dann wohl nicht, da das Baltikum ja auch zur EU gehört. Sogar an den Rastplätzen weisst das @ Zeichen auf Internet hin

Überholen Sie ruhig, wenn sie´s eilig haben. Wir haben eine Toilette an Bord…..
Wohnmobil Leben

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Sabine von Reth
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