Der erste Eindruck von Myanmar
„Phnom Penh war ja schon im Arsch. Aber Yangon ist noch viel im Arschiger!“
Totales Verkehrschaos. Busse, die mit maximal möglicher Geschwindigkeit PKWs einfach abdrängen. Das Einfädel-System ist unbekannt. Hupen ist Pflicht. Uns wundert: keine Mopeds! Gar keine. Später erfahren wir: jegliche Art von Zweirädern ist in -und im Radius von 15 Meilen um Yangon herum- verboten! Zur Sicherheit. Ja, das verstehen wir. Geldwechsel: Fuer 500 Pfund bekommen wir 740.000 Kyat, ein riesen Haufen Geld!
Huhn ist vegetarisch!
Abends Dinner in China Town. Sitzen auf Plastik-Stühlen auf der Straße. Herrlich, so geht das in Asien. Essen lecker Fisch, und Reis mit Gemüse. Myanmar ist neben China ein weiteres Land, in dem ich konsequent kein Fleisch esse. Weiss ich, was das hier ist? Hund, Katze, Schlange, Ratte? Nein Danke, ich bleibe bei Fisch und Gemüse. Übrigens fällt „Huhn“ hier in die Kategorie ‚Vegetarisch‘. Will man gänzlich vegetarisch, bestellt man „ohne Fleisch“ #verwirrend
Das erklären uns 2 Deutsche, die neben uns auf Plastik-Stühlen auf der Straße sitzen. Angelina und Felix arbeiten in Yangon bei der GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit). Wie spannend! Wir kommen ins Gespräch und ziehen mit den beiden bis 1.30 Uhr um die Häuser. Sie erzählen: das Land ist im Aufbruch, im steten Wechsel, die Menschen sind lernwillig. Sie können aber nichts, haben nichts gelernt. Wo fängt man also an? Nichts ist reglementiert, kaum etwas organisiert, alles ist wild durcheinander. Ich frage nach: „Pionier-Charakter? Aufbruchstimmung? Das Gefühl etwas wirklich Wichtiges bewegen zu können? Ein ganzes Land neu gestalten zu können?“.
Die Antwort: „Das sei zu romantisch gedacht. Die Wirklichkeit sei eher nüchtern. Der ‚ganz normale‘ Alltag birgt nicht nur viele Stolpersteine, sondern auch viel Verwirrung ausgelöst durch ständigen Wechsel und neue Gesetze, und nicht nachvollziehbare Aktionen“. Beispiel: Angelina soll zusammen mit den Burmesen ein Mango Festival organisieren. Ein solches Festival fand in den USA statt, das hat ein Kollege im Fernsehen gesehen. Fand er toll. Will er auch machen. Wer macht das? Keiner weiß es. Sagt Angelina, na gut, machen wir das halt zusammen. Was bringt es? Keiner weiß es. Hoch lebe die burmesische Mango.
Beide sagen: Dem Land fehlt noch der Ruck. Dem Land fehlt ein Vorturner, der die Bevölkerung auf die Zukunft einstimmt. Sie sagen aber auch, das man eine 30 jährige Militärdiktatur nicht so schnell aus den Köpfen bringt (siehe Ägypten, dort funktioniert der schnelle Umbruch ja auch nicht).
Geblendet von Buddha
Shwedagon Pagode mit Tour Guide. Wir haben Glück, heute ist Unabhängigkeitstag, und das religiöse Zentrum und Wahrzeichen Myanmars ist von vielen Einheimischen besucht. An Werktagen sind nur Touristen hier, sagt unser Tour Guide.
Der Legende nach ist die Shwedagon Pagode mehr als 2500 Jahre alt. Aufzeichnungen buddhistischer Mönche bezeugen, dass die Pagode bereits vor dem Tod des historischen Buddha Siddhartha Gautama im Jahre 486 v. Chr. erbaut wurde. Der sogenannte Stupa (buddhistisches Bauwerk, das Buddha und Dharma – Moral und Ethik – symbolisiert) ist 99 Meter hoch, und über und über mit Gold Überzogen. So viel Glanz kann man sich ohne Sonnenbrille gar nicht ansehen, das blendet.
Neben der Pagode sehen wir Buddha, neben Buddha, neben Buddha. Und dann noch mehr Buddhas. Wir erfahren die Geschichte des Buddha (Geburt 500 Jahre vor Christus). Wir erleben die Buddha Verehrung, das Anbeten des Buddha, die Gaben fuer Buddha. Aber auch das fröhliche Beisammensein und das Picknicken der Burmesen. Eine Mädchengruppe bittet uns kichernd um Fotos, nacheinander posieren wir mit 8 Schülerinnen. Finden wir sehr lustig und sind natürlich geehrt 🙂
Unser Tour Guide erzählt: die Pagode ist ein Platz zum abschalten. Zur Ruhe zu kommen. Die burmesische Familie wohnt mit unzähligen Mitgliedern auf kleinstem Raum. Ohne Privatsphäre. Hier in der Pagode vergessen sie alle Probleme und denken nur an…… Buddha! (Klar, an wen sonst…).
Es folgt eine einstündige Stadtrundfahrt im Taxi. Die Stadt ist wirklich im Ar***. Holperstrassen, verfallene – einstmals sicher eindrucksvolle – viktorianische Gebäude, viele Straßenmärkte und Verkäufer. Lediglich Kirchen und Botschaften sind im sehr guten Zustand.
Nachmittags erholen wir uns am Pool. Heute Abend ist im Hotel offensichtlich ein Event. Dafür wird eine Bühne aufgebaut. In Myanmar geht das so: circa 30-40 Arbeiter schleppen unzählige einzelne kleine Holzbretter an, die nun seit Stunden unter lautem Getöse zusammen gehämmert, gesägt, geschraubt und geklopft werden. Schon mal was von Stecksystemen gehört? #Entwicklungsland
Myanmar. Entwicklungsland. Aber was, wenn sich die Bevölkerung nicht entwickeln will?
Sabine von Reth 2014
Wenn Mönche aus der Bahn fallen
Zum Abschluss machen wir eine Tour in Yangon und fahren mit der lokalen Eisenbahn einmal um die Stadt herum. Diese „Circlulation Line“ ist das günstigste Transportmittel für die Einheimischen, und mittlerweile beliebte Touristen-Attraktion. Wir zahlen 1 Dollar, und gondeln 3 Stunden rund um die Stadt mit einer Durchschnitts-Geschwindigkeit von ca. 20 km/h. Der Zug hält an 29 Haltestellen, Haltezeit zwischen 2 und 30 Sekunden! Ja, Sekunden! Wer den Zug nicht schnell genug verlässt, plumpst bzw. fällt halt auf den Bahnsteig. Oops, Pech gehabt. Wir sehen Mönche am Boden, denen vom Militär aufgeholfen wird. Raue Sitten.
Wir sehen viel Müll. Viele streunende Hunde, die immerhin nicht unterernährt aussehen. Die Bahngleise werden zum Trocknen der im Fluss gewaschenen Wäsche benutzt. Porentief rein? Wir sehen aber auch viel Freundlichkeit, uns wird oft zu gewunken.
Eine solche Tour stimmt nachdenklich. Es fehlt an so vielem, und die Entwicklungsschritte sind derzeit noch so klein…. Die Bevölkerung hält große Stücke auf den derzeitigen Präsidenten. Der ehemalige General ist seit 2011 im Amt, und führt das Land langsam in die Zukunft. Er hat z.B. Mobiltelefone eingeführt, vor 2011 gab es das nicht! Da jeder eines möchte, werden die Verträge verlost. Wer dem Militär nahe steht, hat mehr Los-Glück….. #ImmerDasGleiche
Buddha Koller in Mandalay
Bye Bye Yangon – wir gehen aufs Boot! Start der Flusskreuzfahrt auf dem ehemaligen Köln – Düsseldorfer Flussschiff mit dem Namen „Road to Mandalay“. Aufstehen um 5 Uhr. Abflug Yangon um 6.30 Uhr. Ankunft Mandalay 8 Uhr. Wir begeben uns in die Hände des Reiseveranstalters Orient Express, der alles organisiert hat. 8.05 Uhr sitzen wir im Bus, und um 8.30 Uhr besichtigen die erste Pagode und den ersten Buddha des Tages. Es werden noch viele folgen…. Dem Buddha folgt ein Nonnenkloster. Sehr spartanisch eingerichtet. Rene fragt mich später, worin Nonnen (oder auch Mönche) den Sinn des Lebens sehen. Ich sage ohne es wirklich zu wissen „Ziel ist die Erleuchtung“. Sagt Rene „Und dann? Wenn du erleuchtet bist?“ Tja, da kommen wir nicht weiter….
Dem Nonnenkloster folgt eine Silberschmiede. Hör‘ mal wer da hämmert. Um 10.45 Uhr sind wir endlich auf dem Boot, um 11 Uhr ist die Begrüßung mit Sicherheitstraining. 12 Uhr lunch, 13 Uhr beginnt die Nachmittagstour. Straffes Programm. Von Pagode mit Buddha, zu Buddha ohne Pagode, zu Buddha, zu Buddha, und zu Pagode. Und noch ein Buddha. Rein innen Bus, raus ausm Bus. Ab 16 Uhr streikt mein Rene und wartet vor den Pagoden und Buddhas.
Um 18 Uhr gibt es noch eine romantische Boots-Paddeltour mit Sonnenuntergang auf einem See. Weil mein Rene immer noch streikt, muss ich die Tour mit dem 70 jährigen Schweizer Kurt machen. Sehr romantisch 🙂 Als wir endlich wieder an Bord sind, sind wir k.o. und haben einen Buddha Koller. Für einen Tag mit so frühem Aufstehen war das zu viel Programm. Rene will nix mehr von Buddha hören, noch nicht mal das Wort. Nennen wir den Typ halt ab sofort: B-Punkt.
Erstmal streiken wir
Heute soll es um 6.15 Uhr mit dem ersten Ausflug losgehen, den Mönchen werden Gaben (Essen) gebracht, Wir nennen es „Mönche füttern“, streiken und schlafen lieber aus. Frühstücken ganz gemütlich auf Deck in der Sonne um 9 Uhr. Als die Mitreisenden um 10.30 Uhr mit Ringen unter den Augen zurück an Bord kommen, liegen wir schon entspannt im Liegestuhl.
Ayerwaddy, gähn
Heute also Ayerwaddy Schiffs-Tour von Mandalay nach Bagan – cirka 200 KM. Eine etwas öde Ufer-Landschaft zieht an uns vorbei. Ab und an taucht eine Pagode und ein Buddha (da isser ja wieda) am Ufer auf. Wenige Fischer, oder Menschen. Im Grunde ist es ein wenig langweilig, nach dem Kampftag gestern ist uns das Nichtstun jedoch sehr willkommen.
Pagoden Koller in Bagan
Pagode. Pagode. Pagode. Morgens sind wir noch motiviert und klettern sogar auf eine Pagode hinauf. Und das bei unserer Höhenangst. Der Anblick lohnt sich, wir Überblicken ein riesiges Arsenal voll von cirka 2000….. ihr wisst schon. Die Großen hat der König gebaut, die mittleren und kleinen die Bevölkerung. Pagoden soweit das Auge reicht. Bustour von Pagode zu Pagode zu Pagode. Es fängt an zu nerven. Die Reiseleiterin bemerkt die gekippte Stimmung und entschuldigt sich „in ihrem Land gibt es leider nur Pagoden und Buddhas“. Rene streikt wieder und will auch das P-Wort nicht mehr aussprechen. Wir einigen uns auf P-Punkt.
Wir lernen über Buddhisten: Der arme Buddhist glaubt, das er im heutigen Leben arm ist, weil er im letzten Leben nicht genug an Buddha gespendet hat. Nun versucht er das im Heute wieder gut zu machen, und spendet im wahrsten Sinne des Wortes sein letztes Hemd an Buddha. Wieder einmal fragen wir uns, ob das mit dem „Glauben“ so eine tolle Sache ist…
Stadtbesichtigung: es gibt Alt Bagan und Neu Bagan. Alt Bagan ist völlig unterentwickelt. Staub-Straßen. Straßen-Händler, die in Zelten leben (Wellblech gilt hier wahrscheinlich als Luxus!). Überall Verkäufer, die einen nicht in Ruhe lassen. Das gängigste Transportmittel sind Pferdekarren. Wir fahren nach Neu Bagan. Eine lange Straße gesäumt von Holzbauten, die meist Hostels oder Restaurant sind. Die Straße erinnert ein wenig an den mittleren Westen der USA vor 200 Jahren, an die alte „Route66“, die ich mal gefahren bin. Bagan ist komisch, wir sind froh keine zusätzliche Nacht gebucht zu haben.
Abreistag. Aufstehen um 6 Uhr. Um 6.30 Uhr müssen wir das Schiff verlassen, warum weiß ich nicht. Kann man nicht angenehme Reisezeiten von einer sogenannten Luxus-Kreuzfahrt erwarten? Wir sind jedenfalls froh das Schiff zu verlassen. Zuviel Programm, zuviel organisiert. Zu alte Leute. Zu wenig Freiheit. Das ist nix fuer uns. Mit dem Flieger geht es über Yangon nach Ngapali Beach.
Jetzt aber Erholung. Oder doch nicht?
Sonntag morgen. Rene war schon am Strand joggen. Am Bengalischen Meer. Ich musste heute aussetzen, da ich Monster-Muskelkater im rechten Oberschenkel habe. Vom Pagoden runter klettern. Wegen Höhenangst bin ich die Pagode rückwärts, auf allen 4en, völlig verkrampft, nicht nach unten guckend, am Geländer festkrallend, irgendwie heruntergekommen. Seitdem ist mein rechter Oberschenkel lädiert. #UrlaubsWehWehchen
Kurz zur Geschichte Burmas: Der König war ein Weichei
im Jahr 1885 verlor Burma seine Unabhängigkeit an Großbritannien. Warum? Weil der König ein Weichei war. Er lebte in seinem Tempel-Komplex und hatte vom wahren Leben keine Ahnung. In den Jahren bis zum 2. Weltkrieg lockerten die Briten jedoch nach und nach die Invasion. Das bemerkten auch die Japaner, und rissen sich 1942 das Land unter den Nagel. Das fanden die Briten gar nicht gut, und wollten Burma wieder haben. In Mandalay kam es zur Schlacht. Dabei haben die Truppen in der Stadt vieles, u.a. die Tempelanlage, kaputt gemacht. Böse Briten. Boese Japaner. Die Briten gewinnen, und 1945-1948 steht Burma nochmals unter deren Herrschaft. Dann kommt die Unabhängigkeit.
Die Flucht aus Myanmar
Im Flieger von Bangkok nach Phuket. Wir reisen nach 5 Nächten aus Ngapali ab, und bleiben nicht wie geplant 10 Nächte. Warum? Weil uns langweilig war und man nichts unternehmen konnte. Ngapali ist ein wunderschöner 8,2 Kilometer langer Strandabschnitt. Der Strand ist toll, Palmen gesäumt und noch ganz ursprünglich. Das Amazing Ressort war auch prima, wir hatten eine schöne Villa, das Personal war nett und zuvorkommend. Wir joggten jeden Morgen am Strand, und lagen den ganzen Tag am Pool. Und das wurde zu langweilig. Also mieteten wir eine Moped, um die 8,2 KM zu erkunden. Wir dachten an Strandbars, Shopping, rumsitzen und Leute gucken. Nur, es gab nix zu gucken. 8,2 KM-Staubstrasse, nur unterbrochen von eignen wenigen asphaltierten Metern, diese jedoch mit Schlaglöchern Übersäht. Kleine Souvenirshops, Mini Restaurants, einige Hotels und Baustellen. Kaum Menschen. Unsere Mopedtour war nach 2 Stunden beendet, und wir hatten uns schon sehr viel Zeit gelassen.
Rene ging am nächsten Vormittag Golfen, auf einem braunen Acker, begleitet von Kühen und Kuhfladen. Das wollte er auch nicht wiederholen. Zu allem Überfluss ging das Hotel Internet so gut wie gar nicht, und wenn es ging, dann mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 0,04 MB. Wanderduehnen sind schneller. Die Stimmung sank. Also beschlossen wir abzureisen, und die restliche Woche in Thailand zu verbringen.
Ngapali ist wie gesamt Myanmar: total unterentwickelt. Rene sagt, wir haben noch nie ein solch unterentwickeltes Land besucht. Selbst auf Kuba funktionierten unsere Telefone. In Myanmar fehlt es an jeglicher Infrastruktur.
Will man es romantisch ausdrücken, könnte man sagen, das Land liegt im Dornröschen-Schlaf und wartet darauf wachgeküsst zu werden. Leider ist der Präsident ein Militär-General, und kein Prinz. Auch die Bevölkerung ist lethargisch, wir spürten kein „wollen“, Kampfgeist oder gar Euphorie oder Enthusiasmus. Wo ist der Ruck, der durchs Land gehen sollte?
Dazu kommt, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht stimmt. Für das Angebot wird zuviel Geld verlangt. Die Hotels, Restaurants etc. haben europäische Preise. Und dass bei Nachbar-Ländern wie Thailand und Kambodscha, wo alles viel günstiger ist UND professioneller.
Wir möchten die Reise nicht missen, es war spannend und abenteuerlich. Wir werden die Entwicklung des Landes weiterhin mit Spannung verfolgen. Wir werden sehen, was aus Myanmar wird.