Klimawandel? Nicht am Balaton

Während Teile Süd-Europas unter Hitzewellen leiden, ist das Wetter am Balaton Anfang August durchwachsen. Nachts ist es mit circa 14 Grad sogar richtig kühl. Auch unsere erste Tour entlang der Ostseite des Plattensees ist bewölkt, und die UNESCO Weltkulturerbe Stadt Tihany auf der Halbinsel bekommt bei strömenden Regen nicht die nötige Aufmerksamkeit, die ihr zustünde. Wir geben unser Bestes, die Stimmung ist gut – trotz Regenschirm und Jacke.
Plattensee, auf ungarisch Balaton
Fast alle Orte am Balaton beginnen mit dem Namen Balaton. Warum? Weil man in Ungarn Namen rückwärts spricht, den Nachnamen also zuerst nennt (von Reth Sabine). Wir erkunden Balatonfüret im Osten des Sees. Herrlich herausgeputzt und ordentlich organisiert wirkt der Ort ansprechend und nett. Natürlich reiht sich an der Uferpromenade Restaurant, an Eisdiele an Souvenirshop. Ein Weinfest in der ersten Augustwoche ist natürlich toll, im Regen leider kein Stopp für uns. Im Yachthafen werden Touren mit Ausflugsbooten auf dem See angeboten, und auf dem Campingplatz stehen die Zelte und Wohnwagen dicht an dicht in Balatonfüret, im Osten des 100 Kilometer langen Sees.
Camping Business am Balaton
Ein wenig anders sieht es am westlichen Ende aus. Ein Campingplatz in Keszthely. Familienbetrieb seit 1981. Die Tochter des Gründers erzählt: „In den 80er und 90er Jahren hatten wir viele Touristen und ein gutes Geschäft. 2000er bis 2016 war nicht gut. Ab 2017 ging es aufwärts, und dann kam Covid.“ Sie weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber wer weiß das schon? Wir haben uns auf dem Campingplatz Castrum in Keszthely wohl gefühlt, was sicherlich auch am vielen Platz lag (um uns herum waren viele Stellplätze frei) – des einen Leid, des anderen Freud. Preis für 2 Nächte 74 Euro.
Krankenversicherung? Ja, aber ohne Klopapier
Wir erfahren mehr über das Leben in Ungarn! Es gibt eine staatliche Krankenversicherung, über die auch jeder Europäer mit der Europäischen Krankenversicherungskarte versichert ist. Aber Vorsicht! Nicht alles ist abdeckt. Klopapier und Essen muss man selbst ins Krankenhaus mitbringen. Andere Länder, andere Sitten.
Politik-Gespräche beim Frisör
Nach 8 Wochen muss ich zum Frisör. Dringend! Ich finde eine reizende deutschsprachige Friseurin Ende 50, bei der ich spontan einen Termin bekomme. Und da wir alleine im Laden sind, können wir plaudern. Betti erzählt von ihren 3 Kindern, Mitte bis Ende 20. Zwei von ihnen studieren Wirtschaft (Economy) und Tourismus, der Mittlere arbeite beim Vater in einer Auto-Lackiererei. Obwohl das Durchschnittseinkommen in Ungarn mit 1000 Euro monatlich gering ist, wollen alle drei zu Hause bleiben.
Während dabei mir die Farbe einwirkt, läuft im Fernsehen eine politische Talkshow. Betti übersetzt sinngemäß: „Amerika zerstört Europa. Die EU Bosse sind alle Gangster“. Ich bin erstaunt über die Offenheit. Betti sagt „Nur in Deutschland redet man alles schön. In Ungarn nimmt man kein Blatt vor den Mund“.
Euro, oder nicht Euro?

Na gut, dann traue ich mich auch weiterzufragen: was sie denn vom Euro hält, oder ist es gut, das Ungarn noch die Landeswährung Forint hat? Sie sagt: „sowohl ihr Mann mit der Auto-Lackiererei, als auch sie im Frisörgeschäft benutzen und bestellen westliche Produkte. Da stört es, das der Euro Kurs schwankt, man kann nie genau kalkulieren“. Sie ist gespannt, wie sich Kroatien entwickeln wird, die Anfang diesem Jahres den Euro eingeführt haben. Bislang hört sie nichts gutes, alles ist noch viel teurer geworden. Aber man muss abwarten.
Nach über zwei Stunden verlasse ich mit viel Input, und schön gefärbt und geföhnt Bettis Friseursalon, und zahle 14.500 Forint = 45 Euro.
Amerika zerstört Europa. Die EU Bosse sind Gangster.
Ungarisches Fernsehen
Wir umrunden den Balaton
Die Nordseite ist perfekt für Familienurlaub. Wir fahren die knapp 100 Kilometer von Ost nach West am See entlang, stoppen auf dem 18 Loch Golfplatz ‚Royal Balaton‘ und spielen eine Runde. Naja, mit ‚Royal‘ hat es nicht viel zu tun, jedoch ist der Blick auf den See richtig schön. Zeitweise kommt die Sonne raus, und die Farbschattierungen gehen bis türkis.
Die Südseite des Balaton mit Siofok im Westen ist moderner, sagt unser Kumpel. Wir entscheiden uns gegen einen Besuch, und suchen uns einen ruhigen Stellplatz im Wald, bei einem Jagdhaus. Denn Reisen ist mitunter anstrengend. Nächsten Stopp raussuchen, einkaufen, am Baumarkt halten, da etwas kaputt gegangen ist, aufräumen, putzen, unsere Webseite braucht einige Updates, Blog schreiben, Fotos sortieren und bearbeiten ….. es gibt immer viel zu tun, so das wir ab und an eine Pause einlegen.
Was gefällt unserem Kumpel an seinem Leben in Ungarn am meisten?
Wir fragen unseren Freund, was ihn am Leben in Ungarn besonders gefallt. ‚Die Natur‘, sagt er! Er findet Ruhe und Entspannung, wenn er mit seinem Hund stundenlang durch Felder und Wälder lauft, ohne jemanden zu treffen. Und tatsächlich, Natur pur. Neben den Selbstversorgungs-Beeten in fast allen Gärten sprießt die Natur überall. Obstbäume. Löwenzahnwiesen. Hecken, Sträucher, Beeren… überall. Was mir auffällt: viele Häuser sind beinahe zugewachsen, die Bäume stehen mittlerweile so dicht am Haus, das man die Fenster nicht mehr öffnen kann. Ist das so gewollt?
Irgendwie … ein kleines bisschen….
Irgendwie…. sind wir ein kleines bisschen enttäuscht von Ungarn. Wir haben uns mehr Eigenständigkeit gewünscht. Mehr Nationalität. Mehr „Ungarn“. Das Land ist westlicher als gedacht. Alle großen Ketten sind vertreten, wo sind die ursprünglich ungarischen? Wir dachten, das Land hat sich mehr von seinen Wurzeln bewahrt.
Aber wir geben noch nicht auf! Vor der Einreise nach Serbien wollen wir noch einige Tage im Landesinneren, fernab vom Tourismus verbringen. Vielleicht ist es dort traditioneller? Teil 3 unserer Ungarn Trilogie erscheint in Kürze.
Reist virtuell mit uns
Unsere Reise Sommer 23 geht also weiter Richtung Süden. Nach Ungarn geht’s durch Serbien, und dort haben wir uns eine spannende Route durch den Osten des Landes, bis zum Dreiländereck Serbien – Rumänien – Bulgarien rausgesucht. Wir haben keine Ahnung was uns erwartet. Ein nicht EU und nicht Euro Land, vor dem das Auswärtige Amt gerne mal warnt. Spannend, oder?! Abonniert unseren Newsletter, und ihr werdet automatisch über neue Berichte per email informiert.
