Aber erst: Danzig ist doof
Danzig. Arbeiterstadt. Wir bemühen uns weiterhin mit Polen Freundschaft zu schließen. Aber Danzig? Puh. Von unserem Wohnmobil Stellplatz (14 Euro die Nacht mit Strom) nehmen wir die Straßenbahn in die Altstadt. RockY lernt Straßenbahn fahren, es sind nur 5 Stationen. Die Hälfte der Altstadt ist eine Baustelle, die Straße ist komplett aufgerissen. Wir hangeln uns am Bauzaun entlang. Erstmal ein Bier, und Hunger haben wir auch. Renes Kotelett war gut, meine Pierogi sind geschmacksneutral und fad. Touristen essen.
Irgendwie sind wir immer noch genervt. Es spring kein Funke über mit Polen, auch nicht in Danzig. Ich hatte überlegt am nächsten Tag eine Hop on / Hop off Bus Tour zu machen und muss feststellen, das die Sightseeing-Busse eingestellt sind. Tja. Auch nix. Auf dem Rückweg nehmen wir die falsche Straßenbahn und fahren vorbei an zertrümmerten Fenstern und Graffiti besprühten verranzten Gebäuden… die Insassen dieser Straßenbahn sehen aus wie die Gegend, durch die wir fahren. Ganz schnell raus hier, zurück fahren und die richtige Bahn nehmen. Mich schüttelt es regelrecht.
Mag ja sein das Danzig Geschichts-trächtig ist, Lech Walesa die Gewerkschaft Solidarność in den 80ern von dort aus geführt hat (ich mag Gewerkschafter überhaupt nicht, das macht mir Danzig also auch nicht sympathischer!), und auch Zigaretten pro Stange West nur 32 Euro kosten – Swinemünde hat René 42 Euro bezahlt. Wir finden es trotzdem doof in Danzig.
Früh am nächsten morgen geht’s weiter. Richtung Wolfsschanze. Wir nehmen den 40 Kilometer längeren Weg Weg, der aber größtenteils über die Autobahn führt. Nach der Gurken Tour vorgestern wollen wir ordentliche Straßen befahren. Schilder weisen nach Kaliningrad, es sind nur 140 Kilometer nach Russland.
Interessant! In jedem größeren Ort gibt es einen Lidl. Wir wussten nicht, das der deutsche Supermarkt auch in Polen dick im Geschäft ist.
Führerhauptquartier Wolfsschanze
Am frühen Nachmittag sind wir in Masuren. In Ostpreußen. An der Wolfsschanze. In Adolf Hitlers Führerhauptquartier von 1940 – 1944. Nachdem Polen 1939 von Deutschland besetzt wurde, baute sich Adolf die Wolfsschanze mitten hinein in den Wald, als strategischen Stützpunkt für die geplante Einnahme von Russland. Nachdem das bekanntermaßen ordentlich schief ging, verließen die Nazis den Stützpunkt im Januar 1945, nachdem sie versucht hatten alles in die Luft zu sprengen. Die Betonbunker waren jedoch so massiv gebaut, das trotz etlicher Tonnen Sprengstoff viele Bunker den Explosionen standhielten – das ist wohl deutsche Wertarbeit! Diese Reste und Bruchstücke kann man heute besichtigen.
Das tun wir mit audio-guides (2 Euro) und Hund Rocky (0 Euro).
Das Wetter passt zum Ort, es ist bewölkt und kühl. Satter grüner Wald, und mit Moos bewachsene Beton-Trümmer jedoch erinnern mich ein bisschen an Angkor Wat in Kambodscha, was wir 2013 besuchten.
Der rund 1,5 stündige Rundweg gibt nicht nur Infos über den Krieg an sich, sondern auch über das Leben in der Wolfsschanze, mit Kino und Casino, um die Bewohner in der Pampa Ostpreußen’s bei Laune zu halten. Auch das missglückte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 durch Graf Stauffenberg wird dargestellt.
Der Audio Guide erzählt allerlei spannendes, auch von ehemaligen Sekretärinnen und Soldaten, die 72 Stunden Schichten zur Bewachung der Wolfsschanze hatten (erzähl das mal einer Gewerkschaft heutzutage): ‘Hitler war wohl Langschläfer. Mittags gab es Frühstück, und nachts um 2 Uhr Abendessen. Über Niederlagen wurde nie gesprochen! Nur Erfolge wurden ausführlich diskutiert.”
Bunker über der Erde
René hat sich die Wolfsschanze völlig anders vorgestellt: “Ich dachte die Bunker liegen unterirdisch, und waren mit einem Tunnelsystem verbunden”. Tatsächlich sind alle Bunker ebenerdig gebaut worden, was bedeutet das ein Bunker gut und gerne 30 Meter hoch in den Wald ragte. Tarn-Netze schützten vor Entdeckung.
Ich hatte mir die Wolfsschanze grusliger vorgestellt. Ich hatte nur Schwierigkeiten durch einen Bunker durchzulaufen, was in 2 Bunkern möglich ist. Das fand ich schlimm. Beklemmend. Furcht einflößend. Ich stellte mir vor, ich hätte dort wohnen, schlafen, essen – leben sollen. Unter meterdicken Betonmauern. Immer kalt und immer feucht, trotz dauerhaft laufender Belüftungssysteme. Das finde ich gruslig.
Die ganze Geschichte zur und über die Wolfsschanze ist gut dokumentiert, bei Interesse empfehle ich folgende Webseiten https://wildeast.blog/polen-wolfsschanze/ und Wolfsschanze
Mir hat der Besuch zugesagt. Es hat mich nicht so mitgenommen wie die ‘Killing fields’ in Vietnam, die wir nach Kambodscha auch 2013 besuchten. Ein Stück deutsche Geschichte, das interessant dargestellt ist. Weder dröge, noch langweilig, noch mit erhobenen Zeigefinger. So war es damals, so ist es passiert – fertig. Dokumentation ohne Kommentare. Beim Verlassen der Wolfsschanze gegen 17 Uhr fängt es mächtig an zu regnen. Glück gehabt!
Jetzt wird es schön (wenn auch nur kurz): wir sind mitten in der Masurischen Seenplatte. Masuren. Ostpreußen. Die ehemalige deutschen Gebiete, bis heute wecken die Namen Sehnsucht. Warum? Das versuche ich im nächsten Beitrag mal zu ergründen.
Und wir erleben deutsches Benehmen Par excellence : “Das ist verboten!” “Wir wollten es schon melden”. Warum wir einen deutschen Blockwart so aus der Fassung gebracht hat, erfahrt ihr im nächsten Beitrag.